Alfred Hosp
Klagenfurt, Januar 1961
Verein zur Förderung seelisch-geistiger und natürlicher Lebensgrundlagen, Klagenfurt
Vortrag über das Wissen von Bruno Gröning
Thema: Erinnerungen
Abschrift aus der Bruno-Gröning-Stiftung
Hinweis: die Schreibweise wurde in der Stiftung an die Richtlinien der aktuellen Rechtschreibung angepasst.
Fassung vom 28.10.2009
Quelle: Archiv des Instituts für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V. Freiburg i. Br.
Nun jährt sich schon zum zweiten Male der Tag, an dem Bruno Gröning seinen irdischen Körper verlassen hat. Für viele Freunde ist es aber einige Monate länger her, seit sie ihn zum letzten Mal begrüßen konnten. Wir alle sollten die Zeit seines Wirkens auf Erden nicht vergessen und uns so oft wie möglich an die erlebnisreichen Stunden in seiner Gegenwart erinnern, ja vor allem an seine Worte, die er uns, wie er so richtig sagte, mit auf den Weg gab. Keiner ahnte damals, bei einem der letzten Vorträge, wie weit der Weg sein wird und wie lange uns diese seine Worte in Erinnerung bleiben müssen, um in der Finsternis der heutigen allgemeinen seelischen Verirrungen ein sicherer Halt zu sein, ein Licht, das uns die drohenden Abgründe rechtzeitig erkennen lässt. Gemeinsam wollen wir nun vor unserem geistigen Auge ein lehrreiches Zusammensein mit Bruno Gröning nochmals erleben.
Im Raume herrscht erwartungsvolle, freudige Stimmung. Bruno Gröning war mit leichten, fast unhörbaren, federnden Schritten eingetreten. Nun steht er vor den Freunden ganz ruhig, mit gekreuzten Armen, und in der minutenlangen Stille gleiten seine blauen Augen prüfend zu jedem Anwesenden. Er blickt in das Innere der Menschen, die oft von weit hergekommen waren, um seinen Vortrag zu hören. Er sieht ihre Sorgen und Leiden, ihre Zweifel aus Unwissenheit in seelisch-geistigen Zusammenhängen und Tatsachen sowie die vielen ungelösten Fragen, die jeder in seinem Herzen mitgebracht und die doch die Menschen immer wieder belasten. Kein Muskel in seinem von der Sonne gebräunten Gesicht schien sich zu regen, und trotz der angespannten Konzentration wirkte sein Körper gelöst und gelassen.
Dann beginnt er zu sprechen, und das, was er im Laufe seiner Rede sagt, beweist, dass er in den Minuten des Schweigens tatsächlich das Innerste jedes Einzelnen erforscht hat. Er gibt in seinen fließenden Ausführungen Antwort auf alle unausgesprochenen Fragen. Sie waren so geschickt in den Vortrag eingebaut, dass nur der Betroffene verstand, warum Bruno Gröning gerade über dieses Problem sprach. So konnte ich am Ende eines Vortrages jedes Mal erleben, wie manche Anwesende erstaunt sagten:
Gerade das, was Herr Gröning heute erklärte, hat mich schon lange innerlich beschäftigt und nun habe ich die richtige Antwort bekommen. Wie hat er das nur gewusst?
Diese Feststellung aber machten fast alle in der Runde, und auch ich konnte erkennen, dass es vor Bruno Gröning keine Geheimnisse gab.
Er sprach meistens einige Stunden, und obwohl jedes Wort, jeder Satz von Wichtigkeit war, will ich nun das Wesentlichste festhalten:
„Liebe Freunde“,
so begann er, „es freut mich, dass mir heute wieder Gelegenheit gegeben wurde, zu Ihnen zu sprechen. Ich weiß, dass viele von Ihnen den Wunsch haben, mich viel öfter zu sehen und zu hören, aber Sie müssen verstehen, dass ja auch noch an anderen Orten Freunde auf mich warten und so muss ich es mir einteilen, damit ich bei allen einige Zeit verbringen kann. Nehmen Sie doch meine körperliche Anwesenheit nicht für so wichtig, sondern beherzigen Sie meine Worte und meine Ratschläge und setzen Sie diese in Ihrem täglichen Leben in die Tat um. Wir erleben hier nur eine Stunde der Belehrung, doch nötig ist es, das Gelernte immer zu befolgen.
Darum frage ich Sie nun:
Haben Sie seit unserem letzten Zusammensein getan, was ich damals sagte?
Haben Sie täglich das Gute aufgenommen oder ist das Böse doch noch stärker gewesen? Wer von Ihnen kann sagen, dass ihm meine Ermahnungen so in Fleisch und Blut über-gegangen sind, dass er sie in jeder Lebenslage und in jeder Sekunde beachtet hat?“
Dabei sah Bruno Gröning prüfend in die Runde, aber es kam keine Antwort und so fuhr er fort:
„Sehen Sie, liebe Freunde, es nützt gar nichts, wenn Sie sich nur auf ein Zusammensein mit mir freuen, um mir zuzuhören, weil es so interessant ist. Und wenn Sie dann in meiner Abwesenheit einen Fehler begehen, denken Sie:
Das macht nichts, ich werde Gröning fragen und er wird mir einen Rat geben, wie ich es wieder gutmachen kann!
Nein, liebe Freunde, so kommen wir nicht weiter.
Sie sollen doch endlich selbstständig werden!
Das ist genau so, wie in der Schule:
Der Lehrer unterrichtet die Kinder, damit sie einmal als verantwortungsbewusste Menschen den Anforderungen des Lebens gerecht werden können. Wo käme nun der Lehrer hin, wenn seine einstigen Schüler auch in späteren Jahren jede Verantwortung auf ihn abwälzen wollten?
Sehen Sie, ebenso verhält es sich in unserem Fall. Ich muss dies einmal ganz offen sagen: Sie sollen nicht so sehr an meiner Person hängen, Sie sollen nicht immer nur auf mein Kommen warten, sondern das, was ich Ihnen anrate im täglichen Leben befolgen, denn i c h bin nebensächlich, hauptsächlich sind Sie!
Und das, was Sie als Bruno Gröning ansprechen, ist nur mein Körper, ist nur ein Werkzeug, damit ich mich für Sie verständlich ausdrücken kann. Wohl ist er von Gott erschaffen und daher göttlich, so wie auch Ihr Körper und ich muss auf ihn achten, wie jeder Mensch. Der Körper ist und bleibt das Werkzeug des Geistes und mittels dieses, meines Körpers, kann ich Ihnen das vermitteln, was Gott den Menschen zu sagen hat.
Lernen Sie nun endlich selbstständig empfinden, was gut und was böse ist. Zweifeln Sie doch nicht immer das Gute an und lassen Sie nie das Böse in Ihren Körper eindringen. Sehen Sie, liebe Freunde, Sie müssen ja auch dann zum Guten stehen, wenn dieser mein Körper einmal nicht mehr ist …
Haben Sie mich nun verstanden?
Stehen Sie schon so weit zum Guten, dass Sie nichts mehr von diesem Weg abbringen kann?
Dann ist es in Ordnung, dann bin auch ich zufrieden und beruhigt.
Sie aber schwanken und zögern und immer nur durch meine persönlichen Worte zur Ordnung gerufen werden können, solange habe ich an Ihnen keine Helfer und keine Stützen für das göttliche Werk.
Sie sollen ja eine Gemeinschaft von Menschen bilden, die tatkräftig am Aufbau dieses Werkes mitwirken und damit zu dem Versprechen stehen, das Sie mir gegeben haben.
Sie wissen heute noch nicht, was für ein Glück es ist, in einer Gemeinschaft leben zu dürfen.
Jeder von Ihnen war bisher auf sich selbst gestellt.
Es kränkte Sie, wenn Ihnen Unrecht zugefügt wurde und Sie wussten nicht, wie Sie sich dagegen schützen könnten. Nun wissen Sie über manches, was Sie bisher nur ahnten, besser Bescheid und Sie haben sich damit aus der Masse der Gleichgültigen gelöst.
Jetzt ist die Zeit gekommen, da sich die Menschen entscheiden und zu dem stehen müssen, was ihrer inneren Erkenntnis entspricht.
Liebe Freunde, das, was Sie heute erleben, ist noch nicht einmal der Beginn von dem, was kommen wird, denn was die Menschen im Laufe von Generationen an Gedanken aufgenommen, drängt zur Ausführung!
Ich muss allen Ernstes sagen, dass heutzutage das Böse überwiegt und den Menschen zur Selbstverständlichkeit geworden ist.
Sie finden das Unnatürliche natürlich und haben nicht mehr den Mut, zu sagen:
Ich will den göttlichen Weg gehen, denn ich habe die Wahrheit gehört und erkannt. Ich fühle mich nicht wohl, wo gestritten oder jemand verleumdet wird, wo Hass, Neid und Habgier herrschen, wo Ungeduld und Unzufriedenheit den Menschen um sein göttliches Gut, um seine Gesundheit bringen.
Liebe Freunde, warum fühlen Sie sich in meiner Gegenwart wohl?
Warum kann ich Ihnen ratend und helfend zur Seite stehen?
Doch nur, weil ich vom Göttlichen überzeugt bin und für S i e an das Gute glaube, für Sie bete, solange Sie noch nicht mit dem Herzen beten können und noch nicht die Gewissheit haben, w i e ein Gebet hilft.
Einige von Ihnen haben den Wunsch, einem lieben Angehörigen Trost und Kraft zu bringen und möchten sich für jenen sozusagen aufopfern. Wer aber wirklich helfen will, muss zunächst selbst stark im Glauben werden und so viel göttliche Kraft aufnehmen, dass auch in seinem eigenen Körper die Ordnung zustande kommt. Erst wenn Sie dann noch mehr göttliche Energien empfangen, als Ihr Körper zum eigenen Betrieb benötigt, können Sie anderen helfen.
Ein Gleichnis hierzu ist jeder Motor:
Er gibt nur dann treibende Kraft ab, wenn ihm mehr Energie zugeführt wird, als er zur
Überwindung seiner inneren Reibungen braucht. Und noch etwas können Sie vom Motor lernen:
Er bleibt nur dann in Funktion, wenn ihm dauernd Energie zugeführt wird. Ebenso sollen Sie nicht nur jetzt in diesen kurzen Stunden, sondern täglich die göttlichen Energien aufnehmen. Hierzu ist meine persönliche Anwesenheit keineswegs erforderlich. Sie müssen sich nur einzustellen wissen, vom Guten überzeugt sein und im Gottvertrauen leben.
Ich sagte zu Beginn:
Der Mensch muss seinen Körper jede Sekunde beachten und vor dem Bösen auf der Hut sein. Denken wir nur an die Folgen eines ungerechten Wortes, das dem schuldlosen
Nächsten sehr weh tun kann oder an eine unüberlegte Handlung, die oft nicht mehr rückgängig zu machen ist.
Fällt es denn den Menschen so schwer, einander Liebe und Verständnis entgegenzubringen?
Warum begehen auch jene diese Fehler, die gut sein wollen?
Nur, weil sie sich für Augenblicke vergessen haben, und schon ist das Böse eingedrungen und sie handeln in Zorn und Aufregung. Sie glauben, dann ein Recht zur Empörung und Beschuldigung zu haben, in Wahrheit jedoch würden sie durch ruhiges und klares Überlegen eine bessere Entscheidung oder einen günstigeren Ausweg finden.
In der Ruhe und in der stillen Einkehr bleibt der Mensch immer in der guten, göttlichen Führung.
Auch diese Ausgeglichenheit den Dingen des Alltags gegenüber, erlangt er aber nur durch das Aufnehmen der göttlichen Kraft, denn Nervosität ist Energielosigkeit, und das, was in
Monaten durch guten Willen aufgebaut wurde, kann in einer Sekunde zerstört sein.“
Während Bruno Gröning langsam auf und ab schreitet, setzt er seine Belehrungen fort:
„Ich möchte Sie nun noch an ein Beispiel von Unachtsamkeit erinnern. Nehmen wir an, Sie gehen unvorsichtig über die Straße. Automatisch tritt Ihr Körper auf die Fahrbahn, gerade vor ein herannahendes Auto, und schon ist das Unglück geschehen.
Auch das ist ein Werk des Bösen.
Liebe Freunde, ich bin überzeugt, dass Sie mich heute verstanden haben und Ihr Leben nun anders beurteilen werden, und ich betone noch einmal:
Sie selbst sind wichtig!
In dieser Hinsicht können Sie ruhig egoistisch sein, denn der Egoismus zum Guten, zur Ordnung, bewirkt, dass Sie später auch Ihren Mitmenschen helfen können. Nehmen Sie den kleinen Gröning nicht so wichtig. Er zeigt nur den Weg. Sie müssen aber diesen Weg auch einmal ohne ihn, sicher und bewusst, beschreiten können …“
Diese eindringlichen Worte, liebe Freunde, sprach Bruno Gröning vor mehr als zwei
Jahren zu uns.
Was haben wir seither erlebt?
Wie haben wir seine Belehrungen befolgt?
Sind wir durch die gesammelten Erfahrungen zu der festen und unumstößlichen Überzeugung gelangt, dass man immer Hilfe bekommt, sobald man zum Guten steht und dass wir unserem guten Freund und Helfer sehr viel zu verdanken haben?
Oder hat Sie der Alltag, hat Sie das Böse und der Zweifel Ihrer Mitmenschen zum
Wanken gebracht?
Denken Sie an jene Zeit, da Bruno Gröning unter uns weilte, nur noch wehmütig als an eine schöne Erinnerung zurück?
In diesen zwei Jahren musste jeder von uns beweisen, ob er das, was Bruno Gröning sagte, verstanden und in die Tat umgesetzt hat, und somit den göttlichen Weg geht oder damals nur ein vielleicht interessierter, aber passiver Zuhörer war.
Prüfe sich jeder selbst und lege sich an diesem Jahrestag des Heimgangs Bruno Grönings Rechenschaft ab, ob er seinem forschenden Blick ohne Zögern standhalten könnte, wenn er ihm jetzt gegenübertreten würde.
Alfred Hosp